Montag, 19. November 2012

So weit die Füße tragen 19.11.2012

Brrrrrrrr, ist euch auch so kalt?! Mh na ja, vermutlich ist euch noch kälter als mir... Für mich ist es nur so ungewohnt, weil heute wirklich der erste Tag ist, an dem tagsüber mal unter 10°C (also 9) sind. Und, weil das Wetter total verrückt spielt! Kein Tag ist wie der andere: Freitag super-klares Herbstwetter mit Wind, Samstag Dauerregen, gestern sommerlich-warme Temperaturen und heute nun das. Na wenigstens wird es nicht langweilig...

Ich habe festgestellt, dass das Zugfahren in Japan wirklich Spaß machen kann. Wenn man einen Platz hat - denn zu Stoßzeiten ist nicht nur der Nahverkehr in Tokyo überlastet, sondern auch die Regionalbahnen. Aber immerhin fahren alle Züge pünktlich! Unglaublich, oder?! Also klar, Shinkansen fahren ist sowieso sehr komfortabel. Aber weil ich freitags ja keinen Unterricht habe, dachte ich mir, ich spare mal ein bisschen Geld und fahre mit dem Bummelzug, der ungefähr doppelt so lang wie der Shinkansen braucht. Die Zeit konnte ich schließlich gut zum Kanji-Lernen nutzen. Allerdings war auch die Aussicht klasse! Die Gleise führen teilweise nämlich direkt am Pazifik entlang. Ihr müsst euch das so vorstellen: Ich schaue nach links aus dem Fenster und sehe Palmen und endlos weites, blau glitzerndes Meer. Dann wende ich mich nach rechts, und sehe dort die Berge, über denen der inzwischen schneebedeckte Fujiyama thront. WOW! Dieses Panaorama kann man leider nicht auf einem Bild zusammenbringen...


Heiko erwartet gespannt den nächsten Gang
Dieses mal war mein Ziel Shizuoka, die Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur. Heiko und ich sind am frühen Abend dort eingetroffen und haben gleich die erste "Attraktion" erlebt: In Shizuoka kann man gut essen :-) Wir waren in einem gemütlichen kleinen Restaurant, in dem alle Gäste ihre eigenen vier Wände haben. Wir saßen also in einem kleinen abgetrennten Raum und die Bedienung hat jedes Mal geklopft, wenn sie uns eins der neun verschiedenen Gerichte oder ein neues Getränk gebracht hat, welches in der Flatrate enthalten war. Das ist natürlich nicht ganz billig, aber lohnt sich sehr! Das Nabemono auf dem Foto ist sozusagen das Hauptgericht, das während des Essens direkt auf einem Kocher auf dem Tisch zubereitet wird. Nabe heißt Topf - das Gericht ist also ein Eintopf aus beispielsweise Kohl, Möhren, Fleischklößchen, Wachteleiern und noch viel mehr, angereichert mit Brühe. Außerdem war es scharf gewürzt, denn Eintopf wird vor allem im Winter zum Wärmen gegessen. Insgesamt war es auch ganz lecker, nur das Fleisch war etwas sehr zäh... Ich bin ja ohnehin kein großer Fleisch-Fan. Da hab ich mich lieber an Sashimi (roher Fisch, rechts im Bild), frittierte Lotus-Wurzel und allerlei andere Köstlichkeiten gehalten.

Nach dem Essen konnten wir uns kaum noch bewegen. Zum Glück war es nicht weit zum Hotel. Und am Samstag waren dann auch nicht viele Aktivitäten möglich. Wie schon erwähnt: Regen, Regen, Regen,...! Und als wir uns schließlich doch noch aus dem Hotel gewagt haben, sind wir auch nur wieder in einem Restaurant gelandet :-) Diesmal gab es Tempura. Diese Bezeichnung steht für alles, was schöööööööön reichhaltig und knusprig frittiert ist. Unter anderem Garnelen, Hackfleisch-Käse-Bällchen, Cordon Bleu... Ich hoffe, dass wenigstens ein paar der Kalorien dann bei unserem Sonntagsausflug draufgegangen sind!

Direkt um die Ecke vom Hotel lag der Sumpu Castle Park. Dieser wird komplett von Wassergräben und hohen Steinmauern begrenzt, von denen einige sogar noch aus dem Jahr 1595 bzw. einer Restauration in 1607 stammen sollen. Aber ganz genau hab ich das nun nicht rausgefunden. Einige Teile der Mauer müssen auch irgendwann in den letzten zwei Jahren restauriert worden sein, denn es gibt Bilder von Erdbebenschäden in 2010... Wir waren aber auch gar nicht im (definitiv restaurierten) Schloss selbst, sondern im japanischen Garten "Momijiyama", der innerhalb der Mauern angelegt wurde.

Für den kleinen Betrag von 1,50€ konnten wir den Garten besichtigen und haben sogar kostenlos einen englischen Audioguide dazu bekommen. In perfektem Englisch wurden uns so über Kopfhörer die vier verschiedenen Teile des Gartens mit ihren Pflanzen und Bedeutungen erklärt. Was ich mir gemerkt habe, ist zum Beispiel, dass die Sträucher vor dem Teehaus Wolken darstellen und das Teehaus sozusagen über den Wolken schwebt. Ein kleines Zeichen dafür, wie wichtig Tee (vor allem grüner) in Japan ist. Im Teehaus haben wir natürlich auch Tee getrunken - vermutlich etwas unkonventioneller als bei einer richtigen Tee-Zeremonie. So ganz schmackhaft finde ich den japanischen allerdings Tee nicht... Aber hier wird sich überall damit gerühmt! So sollen auch die Azaleen-Sträucher rund um die Miniatur des Fujiyamas als Terassen angelegte Tee-Felder darstellen. Der Fuji ist ein Wahrzeichen von Shizuoka, und die Stadt ist einer der wichtigsten Tee-Produzenten in Japan... Aber ich glaube, es gibt kaum Städte mit Teefeldern in der Umgebung des Bergs, die das nicht von sich behaupten würden :-)

Tee-Haus im Japanischen Garten
Miniatur des Fujiyamas
Symbole der Berglandschaft Japans
















Auf den Spuren der Romanhelden
Den kleinen Garten hatten wir schnell besichtigt, sodass wird uns bald auf den Weg zum Bahnhof machen konnten. Von dort aus wollten wir dann mit dem Bus zu einem Aussichtspunkt fahren. Zuvor hat Heiko aber noch neue Freunde gefunden :-) Die Statuen stellen Charaktere aus einem japanischen Buch dar, das ab 1802 erschien. Es ist eine Art lustiger Reisebericht und ich vermute mal, dass den beiden in Shizuoka irgendwas Komisches zugestoßen sein wird... Irgendwie muss man sich ja seine Sehenswürdigkeiten schaffen ;-)  



Dabei ist die Landschaft schon sehenswürdig genug! Besonders, wenn man wie wir auf den Mt. Nihondaira fährt. Das Gebiet liegt auf einer Höhe von maximal 308 Metern, von wo aus man eine wunderbare Aussicht hat! Zum Beispiel vom Park hinter dem Nihondaira Hotel aus. Vielleicht könnt ihr euch nun ein Bild machen von der landschaftlichen Vielfalt von Meer und Bergen.

Der Hafen Shimizu aus ca. 300 Metern Höhe

Theoretischer Blick auf den Fujiyama ;-)
Da ich weiß, dass es Leute gibt, die unsere Wege bei Google Earth verfolgen: Der kleine See, der dort auf den Fotos zu sehen ist, ist momentan trocken gelegt ;-) Das macht aber gar nichts, denn mit dem Meer am Fuße der Hügel ist genügend Wasser vorhanden! Nur eins hat leider nicht ganz funktioniert: Der Aussichtspunkt ist vor allem bekannt und unter den 100 Top-Sightseeing-Punkten Japans, weil man an klaren Tagen den Fujiyama in voller Schönheit sehen kann. Bei uns hat es leider nur für eine kleine Spitze über den Wolken gereicht. Ja richtig, der helle weiße Punkt dort rechts etwas über meiner Schulterhöhe ist der Fuji! Wie ihr seht, ist Heiko nicht ganz begeistert, dass Wolken aufgezogen sind...Ok, vielleicht liegt der Blick auch an der blendenden Sonne - aber wer wird sich denn beschweren, wenn wir schon wettertechnisch so großzügig für den Regen-Samstag entschädigt werden?! 

Und noch haben wir ja genügend Zeit, um gemeinsam den Fuji zu sehen! Im Winter stehen die Chancen für ganz klare Tage auch besser....

Seilbahn



 Vom Besucherzentrum aus sind wir dann mit der Seilbahn runter gefahren. 

Die Fahrt hat nur 5 Minuten gedauert, ist aber trotzdem aufregend genug, wenn man beim Blick nach unten Nichts als hohe Bäume und tiefe Schluchten sieht. Vor allem, weil manche Teile so aussehen, als wären sie von Erdbeben leicht mitgenommen... 

Aber ich sag mir immer: "Die Japaner werden sich bei der Konstruktion schon was gedacht haben."



Außerdem hätten wir sonst nicht den "Kunōzan Tōshō-gū Schrein" besichtigen können. Dies ist der älteste Tōshō-gū Schrein Japans. Dort wird der Geist von Tokugawa Ieyasu als Heiligtum verwahrt. Dieser war ein wichtiger Shogun im 16. Jahrhundert...ok, weiter erklär ich die Begriffe nun nicht. Ihr kennt alle Wikipedia, also könnt ihr das auch selbst nachlesen :-P Was anderes mache ich gerade auch nicht, weil es an diesem Schrein leider kein Englisches Flugblatt gab.

Dafür viele leuchtende Farben und goldene Blätter! Und jede Menge Treppenstufen. Der Schrein steht nämlich auf dem Mt. Kuno und dort gibt es keine zentrale Plattform. Die verschiedenen Gebäude erstrecken sich somit über mehrere Dutzend Höhenmeter und sind gar nicht so einfach zu erklimmen, weil die Treppenstufen geschätzte 30 bis 40cm hoch sind. 

Roumon Tor am Eingang
Gold-Dekor am Schrein
Details der Dekoration
















Steinlaternen
Die Anlage wurde 1617 erbaut und es sind tatsächlich alles noch Original-Gebäude! Wie oft sie die Farben überpinseln, weiß ich natürlich nicht. Es ist allerdings ganz schön beeindruckend, dass sie es im 17. Jahrhundert geschafft haben, auf ca. 200 Metern eine so gewaltige Anlage zu erbauen, die trotz Erdbeben mehrere Jahrhunderte unbeschadet überstanden hat. Eigentlich sieht man nur den zahlreichen Steinlaternen ihr Alter an. Aber für Moosbefall und sauren Regen kann ja keiner was... 

Durch unsere Fahrt mit der Seilbahn haben wir ja eine recht gemütliche Anfahrt auf den Berg (oder viel mehr von oben herab) gehabt. Um von dort wieder weg zu kommen, haben wir allerdings die 1159 Treppenstufen in Richtung Küste gewählt. Diese verlaufen im Zickzack direkt am Berg entlang und man hat einen wunderbaren Blick aufs Meer.


Am "Strand"
Schauspiel der Wellen
Und dort wollte ich unbedingt hin! Nun lebe ich schon seit 2 Monaten auf einer Insel und war noch nicht mal am Wasser - kann ja wohl nicht sein! Unten haben wir uns an die Promenade gesetzt und eine Weile dem Schauspiel der Wellen zugeschaut. Die waren ca. 2 Meter hoch. Zum Glück ist die Promenade so weit das Auge reicht durch Wellenbrecher davor geschützt. Eigentlich mag ich so richtig schöne weiße Badestrände da schon lieber! Aber für ein paar abenteuerliche Fotos sind die Wellen natürlich gut! ;-)

Zwischen Wasser und Fuß des Berges gibt es auf voller Länge Erdbeer-Gewächshäuser und von Januar bis Mai kann man hier auch selbst pflücken. Wenn ich sage "auf voller Länge", dann sind das ca. 5km - Ich muss es wissen, denn wir sind den gesamten Weg und noch weiter bis zum Universitätsfest der Shizuoka Universität zu Fuß gelaufen, um dort zu Abend zu essen und dann mit dem Bus zurück Richtung Hotel zu fahren. Nach den Besichtigungen des Tages und diesem ca. 90-minütigem Marsch war danach mit uns nicht mehr viel anzufangen...

Und weil ihr fürs Lesen nun wahrscheinlich fast genauso lang gebraucht hab, komm ich (endlich^^) mal zum Ende.
Ich bin stolz auf alle, die durchgehalten haben ;-) Tschüssi
    

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