Ich fang am besten sowieso mit dem letzten Wochenende an. Ich hab tatsächlich mal auf Heiko gehört (Hört sich das für euch auch so komisch an?^^) und bin mit meiner Kamera losgelaufen auf Suche nach ein paar schönen Motiven. Allerdings geht das bei mir natürlich nicht ganz planlos :-) Ich hab mir zunächst bei Google-Earth ein Ziel ausgesucht: Den "Wald und Park des 21. Jahrhunderts".
Dieser Ort ist von der Uni aus in ca. 60 Minuten zu Fuß zu erreichen. Und das hätte ich auch fast geschafft, wenn da unterwegs nicht dieser Laden gewesen wäre...nein, nicht was ihr jetzt denkt! Ich bin nämlich nach ca. 30 Minuten auf einen Spirituosenladen gestoßen, in dem es jede Menge ausländische Produkte inklusive deutscher Weine gibt. Viel wichtiger war aber was anderes: Ich habe endlich Nutella gefunden :-) Ok, soviel dazu.
Wasserbecken vor dem Tempel des Leuchtenden Drachen |
Jedenfalls bin ich letztendlich doch im Park angekommen und hab mich sofort gefühlt, als hätte ich das japanische Äquivalent zum Paradiespark in Jena gefunden - inklusive Grillwiese. Zunächst hab ich mich schon ein wenig gewundert, als der nette Mann an der Pforte mich gefragt hat, ob ich zum Barbecue möchte. Bald darauf wurde mir aber klar, warum: Hier wird das Ganze etwas professioneller aufgezogen! Vor dem Grillplatz wird direkt das Grillgut verkauft. Hier ist das vor allem "Shabu-shabu", also ganz dünn geschnittenes Rindfleisch. An so einem schönen Tag wie letzten Samstag haben geschätzte 500 Japaner die Gelegenheit zum Barbecue genutzt. Manche hatten sich kleine Zelte mitgebracht und sich so vermutlich für einen Ganztagesaufenthalt eingerichtet. Außerdem gab es wie auf einem Campingplatz lange Reihen mit Waschbecken und Arbeitsflächen, die die Zubereitung vor Ort erleichtern. Und ich vermute auch, dass niemand seinen eigenen Grill mitbringen musste...Aber einen entscheidenden Vorteil hat Jena doch! Denn hier kann man keinen gemütlichen Grillabend veranstalten. Der Park ist nämlich komplett eingezäunt und hat Öffnungszeiten.
In den Wintermonaten ist bis halb 5 geöffnet. Also hatte ich noch genügend Zeit, einmal durch den gesamten Park zu spazieren. In Japan ist nicht nur das Ansehen der Kirschblüten sehr beliebt. Auch die Herbstfärbung der Blätter ist für viele einen Ausflug wert. Ich hab schnell den Grund erkannt: So konnte endlich mal mein Defizit an Natur auftanken!
Japanischer Herbst |
Das Herzstück des Parks ist ein kleiner See, auf dem es sich die Wasservögel gemütlich machen können. Außerdem müssen in den Bäumen rund um den See jede Menge verschiedene Vogelarten leben. Es gab nämlich einen verglasten Raum mit Ferngläsern, aus welchem heraus man diese Vögel beobachten sollte. Dazu lagen sogar ein paar Broschüren bereit, in denen die einzelnen Arten erklärt wurden. Eine weitere Aktivität spielte sich in kleinen Hütten auf einem Berg ab, aus deren Türen Rauch stieg. Aus der Vermutung heraus, dass meine Japanischkenntnisse zum Verständnis nicht ausreichen würden, hab ich nur von draußen reingeschaut. Es sah so aus, als würde eine alte Dame Kindern erklären, wie man früher in solchen Hütten gelebt und Feuer gemacht hat. - Aber es kann natürlich auch was ganz anderes gewesen sein ;-) Es hat mich nur ein bisschen erstaunt, dass sowohl die Vogelbeobachtung als auch der Besuch der Hütten kostenlos war. In Deutschland gibt es doch irgendwie für alles Gebühren...
"Baadouocchingu" - Vogelbeobachtung |
Aussichtspunkt auf dem See |
Allein schon für den Besuch der malerischen Anlage könnten sie hier Geld verlangen. Aber vielleicht gehört es hier sozusagen zur "Grundversorgung", dass jedem Japaner die Flucht aus der Stadt ermöglicht werden muss... Der "Wald und Park des 21. Jahrhunderts" ist also wohl eher ein Ort der Erholung von der Hektik unserer Zeit. Nicht mal die sonst wirklich alle 500 Meter aufzufindenden Getränkeautomaten haben hier Einzug gehalten. Es gab tatsächlich nur einen einzigen in dem Restaurant, auf dessen Terasse ich in der Sonne zu Mittag gegessen habe.
Weihnachtsgruß der Bäckerei |
Nach dem erholsamen Spaziergang bin ich auf dem Rückweg bei der deutschen Bäckerei vorbei gekommen. Hier hat man sich schon auf Weihnachten eingestellt. Es gibt auch schon Stollen, allerdings ab 30Euro... Und viel beliebter scheint das Curry-Brot zu sein. Draußen haben nämlich einige Leute mit Nummer-Zetteln auf die nächste Ladung frisch aus dem Ofen gewartet. Ob die wissen, dass das nicht typisch deutsch ist? Ich hab mich dann doch lieber für Schwarzbrot entschieden!
Ja und nun noch zu meinem Start in die Woche. Dieser war ganz besonders interessant! Frau Higuchi, bei der ich den Kurs "Intercultural Communication" belege (inzwischen übrigens als einzige!), hatte mir angeboten, bei einem Kommunikations-Workshop in Tokyo teilzunehmen. Lustigerweise war die Leiterin des Workshops Frau Margit Krause-Ono - eine seit über 30 Jahren auf Hokkaido lebende Deutsche. Der Workshop an sich war auf Japanisch, sodass Frau Higuchi sich ständig bemüht hat, für mich auf Englisch zu übersetzen. Allerdings waren mir ein paar Inhalte schon vertraut. Das Thema war nämlich "Kommunikation nach Schulz von Thun". Das dürfte Einigen von euch bekannt vorkommen, oder? :-) Ich hab aber auch viele spannende neue Sachen gelernt. Die Fallbeispiele, die wir besprochen haben, waren besonders interessant. Ich hätte nicht erwartet, dass Japaner vor Fremden über sehr persönliche Themen sprechen!
Zum Mittag war ich mit Frau Higuchi, ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter in einem Udon-Restaurant. Udon sind breite Nudeln, die oft in einer Art Suppe gereicht werden. Die Spezialität des Restaurants war allerdings Curry-Udon, also die Nudeln in einer ganz dicken Curry-Soße. Und weil diese Soße so herrlich spritzt, hat jeder ein großes Papier-Lätzchen bekommen :-) Es ist ja auch verdammt schwer, glibberigere Nudelsuppe mit Stäbchen zu essen! Tja, leider bleibt euch der Anblick nun verwehrt...zu schade!
Zum Abendessen war dann noch eine Party bei Frau Higuchi zu Hause. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, dass ich dorthin eingeladen wurde! Japaner laden allgemein nicht oft Besuch ein, weil sie dann tip-top sauber machen müssen und sich keine Blöße geben wollen. Außerdem fiel ich in der Gruppe schon ein bisschen aus der Reihe. Zum einen war ich lange Zeit die Jüngste und zum anderen natürlich bis auf eine Amerikanerin, die schon sehr lang in Japan lebt, die einzige Nicht-Muttersprachlerin. Für mich war das eine super Gelegenheit, viel japanische Konversation zu üben. Vermutlich hab ich viel sinnloses Zeug erzählt! :-) Aber es war ein ganz toller Abend!
Da ja auch einige Musikbegeisterte den Blog verfolgen, kann ich ja noch von einem ganz besonderen Gast erzählen. Eine Workshopteilnehmerin hatte nämlich zum Abendessen ihren Ehemann eingeladen, der dann auch mein Tischnachbar war. Dieser spielt Blockflöte und hat auch nach dem Essen ein wenig gespielt. Soweit ich die Unterhaltung zuvor verstanden hab, macht er mit der Blockflöte auch so eine Art Musiktherapie mit Menschen und auch Tieren... Außerdem hab ich irgendwann herausgefunden, dass er beim "Tokyo Philharmonic Orchestra" manchmal als Dirigent dabei ist. Er hat mir dann sogar eine CD geschenkt, auf der die "Nikikai Chorus Group" und das Orchester unter seiner Leitung Beethovens 9. performen. Ich werd sie dann mal von Heiko beurteilen lassen ;-)
Ich könnte nun noch ganz ganz viele Einzelheiten zum Workshop und zum Abendessen schreiben, aber das hier soll ja schließlich kein Roman werden. Wer Interesse an mehr Infos hat, kann ja mal in einem netten Skype-Telefonat oder in einer E-Mail nachfragen ;-) Aber ich glaube kaum, dass ich alle meine Eindrücke angemessen und verständlich wiedergeben kann.
Um diese Aussage ein bisschen näher zu erklären, beende ich heute den Eintrag mal wieder mit einem Zitat. Es stammt aus dem Buch "The Silent Language" von Edward T. Hall, das mir Frau Higuchi ans Herz gelegt hat. Hall vergleicht in seiner Einleitung Kultur mit Musik:
"If another person hasn’t heard a particular piece
of music, it is impossible to describe."
Und ganz genauso ist es eben auch mit der Kultur.
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